Anfang Januar 1992 beantragte ich bei der Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde in Frankfurt (Oder) die Einsicht in vorhandene Akten. Im August 1992 bekam ich dort einen Termin zur Einsichtnahme. Viele Original-Aktenblätter ließ ich kopieren. Ich stelle hier 19 Seiten vor, die sich auf den Zeitraum von 1980-1984 beziehen. Der Inhalt mag für Außenstehende banal erscheinen. Ich war und bin davon betroffen. Bis heute. "Negativ-feindliche Äußerungen" an einer DDR-Fachschule Im (04) IM-Bericht 29.03.1980 taucht erstmals der denunzierende Hinweis von IM "Angela" auf, dass bei einer schriftlichen Prüfungsarbeit "einige Studenten anonyme Antwortzettel abgaben, auf denen sie negativ-feindliche Äußerungen über die DDR und die Volkswirtschaft aufgeschrieben" haben. Diese Darstellung taucht danach auch in anderen IM-Berichten auf bzw. wurde weiter kolportiert. Hintergrund waren folgende Ereignisse: Im Herbst 1978 fiel mal wieder die marode Heizung in der damaligen Fachschule Meissen-Siebeneichen aus. Eine Reparatur war offenbar nicht mehr möglich. Nur ein Heizungsneubau konnte die Situation verbessern. Doch dafür gab es damals kurzfristig kein Geld und ohne langfristige Planung auch kein Material, das sowieso im ganzen Land stets äußerst knapp war. Die ökonomische Krise der DDR war damit für alle Studenten und Mitarbeiter spürbar und sichtbar. Die Fachschulleitung schickte wegen der defekten Heizung alle Studenten des 2. und 3. Studienjahres für mehrere Monate zum Selbststudium nach Hause. Alle vier oder sechs Wochen wurden wir für je eine fünftägige Konsultationswoche irgendwo in oder bei Meissen untergebracht. An diesen Tagen gab es einerseits einige Stunden Frontalunterricht, andererseits wollten die Dozenten in schriftlichen Prüfungen unser selbst erworbenes Wissen erkunden. In einer solchen Konsultationswoche im Dezember 1978 kündigte ein SED-Hardliner-Dozent kurzfristig für den nächsten Tag eine Zwischenprüfung im ungeliebten Fach "Politische Ökonomie des Sozialismus" an. Um unseren Frust und unseren Unmut über die ganze Ausbildungssituation auszudrücken, kam abends im Quartier von einem Mitstudenten? oder einer Mitstudentin? unserer Seminargruppe der Vorschlag, dass jeder Student unserer Seminargruppe seinen Prüfungszettel anonym, also ohne Namensangabe, abgibt. Diese Idee fand allgemeine Zustimmung und wurde am nächsten Tag von fast allen Studenten verwirklicht (Ausnahmen: die SED-Mitglieder!). Der Dozent verteilte am Beginn der Prüfungsstunde an jeden Studenten einen Zettel mit drei Fragen (1.,2.,3.) und forderte uns auf, drei schriftliche Antworten auf einem gesonderten Blatt zu formulieren. In dieser spannungs 4. Kultur ist, wenn man trotzdem lacht. 5. Die Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus ist gesetzmäßig. 6. Ohne Kohlen fährt keine Dampflok. Was diese drei Sätze (mit ironischer Tendenz) danach auslösten, kann jeder Leser in den Stasi-Berichten nachlesen. Jene drei Sätze wurden offenbar als politische Provokation und als "feindlich-negative Äußerungen" bewertet. Wesentlich dabei ist, dass alle Stasi-IMs, die diese Bewertung weitergaben, meine Aktion mit den drei zusätzlichen Sätzen gar nicht kannten, sondern ihre Aussagen nur auf der Basis von "Gerüchten" machten. Auch die Stasi hat diese völlig überzogene Bewertung nicht hinterfragt. Die in der Stasi-Akte dokumentierten Reaktionen des DDR-Kulturministeriums und der Meissener Fachschule (Androhung von Exmatrikulation), des Frankfurter Praktikumbetriebes "BfK" (Behinderung der Einstellung) und der Stasi (Einflussnahme auf Bewerbungen) auf meine angeblich "feindlich-negativen Äußerungen" sind beispielhaft für das von Mißtrauen, Paranoia und permanentem Selbstbetrug geprägte Klima in der 1989/90 zusammengebrochenen SED-DDR-Diktatur. In der Navigationsleiste oben kann jeder Besucher jeweils eine Seite mit Text-Auszügen aufrufen. Die durchnummerierten Seiten sind zeitlich geordnet entsprechend dem Datum der Stasi-Aktenseite. Auf das Veröffentlichen der Klar-Namen jener Personen, die als IMs (Informelle Mitarbeiter der Stasi) mein Vertrauen gestohlen und die mit ihrer IM-Tätigkeit meine Biografie beeinflussten, habe ich bis zum 16.11.2011 verzichtet. Das SED-DDR-System von Bevormundung, Einschüchterung und staatlicher Willkür haben sie mit ihrer IM-Tätigkeit zwar aktiv gestützt, in letzter tragischer Konsequenz aber vor allem sich selbst beschädigt. "Das Vergessenwollen verlängert das Exil" (Ernst Benda). | |||||||||||||||||||||||
Deck-Namen einiger IMs (hier veröffentlicht seit dem 17.11.2011).
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Warum präsentiere ich hier Auszüge aus meiner Stasi-Akte? Nach dem Einsturz der ummauerten DDR in den Jahren 1989/90 - einerseits als Folge nicht auflösbarer Widersprüche der SED-Diktatur sowie andererseits erzwungen durch den Druck von Massenfluchten und gewaltloser Massenproteste von DDR-Bürgern - ist es meiner Meinung nach notwendig, immer wieder die offizielle DDR-Sprache (z.B. in Stasi-Akten und DDR-Zeitungen) und die DDR-Praxis kritisch zu analysieren. Die Sprache in den Stasi-Akten widerspiegelt das von der SED geprägte schizophrene Denken und Handeln im Staat DDR bis 1989. Auch heute erkenne ich dieses Denken in manchen, die DDR verklärenden spitzfindigen Leserbriefen. Zur Analyse aufgerufen sind Germanisten, Historiker und andere, die sich mit Sprache und DDR-Geschichte auseinandersetzen. Ich empfehle das Buch "Die DDR - Eine Geschichte von der Gründung bis zum Untergang" - geschrieben vom Historiker Dr. Stefan Wolle. Das 1.300 Seiten starke Buch erschien 2015 bei der Bundeszentrale für politische Bildung und kann dort für preiswerte 7 Euro bestellt werden. 19 Seiten aus "meiner" Stasi-Akte stelle ich für die notwendige Aufklärungsarbeit hier ins Internet. Aus nachvollziehbaren Gründen habe ich einige Namen durch "xxxxx" ersetzt. In diesen Seiten findet jeder interessierte Leser Stoff für eine Auseinandersetzung mit der "Sprache in DDR-Akten". Diesen Stoff bergen auch die Akten vieler anderer betroffener SED/Stasi-Opfer, die in der DDR durch sogenannte "feindlich-negative Aktivitäten" oder durch "Kontakte zu feindlich-negativen Personen" ins MfS-Raster gerieten. Vielmals ermittelten offizielle Stasi-Angestellte und inoffizielle Stasi-Mitarbeiter (IM) u.a. auch gegen sich loyal verhaltende DDR-Bürger, gegen die trotzdem eine sogenannte "OPK" (Operative Personenkontrolle) eingeleitet wurde. Dies hatte unterschiedlichste Auswirkungen auf das Leben der diffamierten OPK-Opfer. Bei mir führte die OPK zu einer gnadenlosen Behinderung meiner beruflichen Entwicklung und zur Ausgrenzung. Leider rollte gerade wieder einmal eine "DDR-Verklärungswelle" durch Deutschland. Auch deshalb veröffentliche ich hier Teile der Stasi-Akte - zur Mahnung und zur Aufklärung. Wer das Bedürfnis verspürt, darauf fair schriftlich zu reagieren, kann mir seine Meinung in Form einer E-Mail mitteilen. DDR-Nostalgiker und DDR-Schönfärber finden bei mir keine Plattform. Roland Totzauer (2009) | |||||||||||||||||||||||
Pressemitteilung: Die DDR war ein Unrechtsstaat Erscheinungsdatum 17.06.2010 Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zum 17. Juni 1953 Anlässlich des 57. Jahrestages des blutig niedergeschlagenen Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953 erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Eines muss klar sein - bei der Totalüberwachung der Bürger, bei der Willkür der Sicherheitsbehörden, bei der Reduzierung des Menschen zum Objekt staatlichen Handelns und nicht zuletzt beim Schießbefehl an der Mauer: Die DDR war ein Unrechtsstaat. Das darf nicht vergessen oder verklärt werden. Noch immer gibt es viel zu viele Menschen in unserem Land, die über die Vergangenheit ganz bewusst den Mantel des Schweigens decken wollen. Die Erinnerung an dieses Unrecht muss tief in unserem gesellschaftlichen Bewusstsein verankert bleiben. Damit ehren wir die einstigen Opfer - und wir schärfen unsere Aufmerksamkeit für den Missbrauch politischer Macht in der Gegenwart. Text-Quelle: Bundesministerium der Justiz | |||||||||||||||||||||||
Die Mauer half zwar eine Zeit, aber rettete das System nicht (Kommentar von Peter Philipps in der MOZ vom 13. August 2011) Niemand sage, Propaganda könne nicht nachhaltig sein. Noch immer, 50 Jahre nach dem Mauerbau und mehr als 20 Jahre nach ihrem Fall, wird öffentlich die These vertreten, dass das Beton-Monstrum eine zwangsläufige Folge des Zweiten Weltkriegs war und ein Schutz gegen die Abwerbungen gut ausgebildeter Facharbeiter durch die bösartigen westdeutschen Kapitalisten. Ach ja: Nicht zu vergessen, diese Mauer habe vor allem auch den Weltfrieden sicherer gemacht. Ironischerweise müsste man an dieser Stelle vorschlagen, Walter Ulbricht und seinen Baubeauftragten Erich Honecker noch posthum für den Friedensnobelpreis zu nominieren. Es stimmt, ohne den von Deutschland entfesselten Weltkrieg hätte es keine Teilung des Landes gegeben. Aber der Befehl zum Mauerbau war dann keine Zwangsläufigkeit mehr, sondern die Bankrott-Erklärung des Systems DDR. Eine Gesellschaft, die ihre eigenen Bürger mit Beton, Minen, Stromzäunen und Schusswaffen dazu zwingen muss, im Land zu bleiben, entzieht sich selbst ihre Daseinsberechtigung. Oder, wie es der damalige Kreml-Herrscher Nikita Chruschtschow nach Aussage seines Sohnes formulierte: "Mein Vater hat Ulbricht gesagt, du kannst nicht allein durch die Kraft unserer Bajonette an der Macht bleiben. Das ist gegen alle Vernunft, das ist Schwäche. Du musst von Deinem Volk unterstützt werden, sonst hat alles keinen Sinn." Text-Quelle als pdf-Datei: Märkische Oderzeitung | |||||||||||||||||||||||
Versäumnisse im Umgang mit SED-Opfern Potsdam (MOZ) Die Enquetekommission zur Aufarbeitung der Nachwendezeit hat am Freitag, den 08.03.2013, ein Fazit zum Kapitel Umgang mit Opfern des SED- "Die Enquetekommission 5/1 nimmt zur Kenntnis, dass sich bei vielen Opfern der Eindruck verfestigt hat, dass es den Tätern heute besser geht als ihnen", heißt es im Entwurf des Abschlussberichtes, der am Freitag im Landtag diskutiert wurde. Es sei der Eindruck entstanden, dass in Brandenburg die DDR- Text-Quelle als pdf-Datei: Märkische Oderzeitung | |||||||||||||||||||||||
... bevor er geköpft wurde. Frankfurt (MOZ) Die Frankfurter Außenstelle der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) lud am Sonnabend (09.03.2013) zu einem Tag der offenen Tür ein. Zahlreiche Besucher kamen, ließen sich durch das Haus führen und hörten Vorträge. Auf den Tausenden Akten die an der Fürstenwalder Poststraße lagern, stehen keine Namen. Nur Nummern. Ohne eine dazugehörige Karteikarte, die es immer gibt, wenn auch eine Akte zu einer Person vorhanden ist, läuft nichts. Das erklärte Mitarbeiterin Jana Florczack auf dem Rundgang durch das Archiv. Obwohl das frühere Armeegebäude in Frankfurts Westen nichts mit der Stasi zu tun hatte, überträgt sich ein bedrückendes Gefühl wohl auch auf die Besucher. Einige der Interessierten wollen auch nach so langer Zeit lieber namenlos bleiben, wenn man mit ihnen spricht. Text-Quelle als pdf-Datei: Märkische Oderzeitung | |||||||||||||||||||||||
Die DDR - Eine Geschichte von der Gründung bis zum Untergang Gut 40 Jahre lang, von der Gründung im Oktober 1949 bis zu ihrem Untergang mit der Vereinigung beider deutschen Staaten 1990, bestand die Deutsche Demokratische Republik: Sie war aus der Sowjetischen Besatzungszone hervorgegangen, und die Sowjetunion prägte, förderte und schütze den jungen Staat maßgeblich. Dessen politisches, wirtschaftliches und kulturelles System war von Planwirtschaft, Einheitspartei, gelenkter Presse und dem staatlichen Wahrheitsmonopol bestimmt. Wie lebte es sich in der DDR, dem von Idealisten ebenso wie von Machtstrategen geformten "besseren Deutschland"? Der Autor Stefan Wolle wendet sich dem Alltag der Menschen in der DDR zu: Schwungvoll, zuweilen ironisch und äußerst kenntnisreich beleuchtet er den wechselvollen Weg der DDR: den mühsamen Aufbruch nach Kriegsende, das fragwürdige Agieren des Regimes im Spannungsfeld zwischen politischer Anerkennung, ökonomischem Erfolg und erzwungener Linientreue der Bürger, die harsche Abgrenzung von der Bundesrepublik und die allmähliche Sklerose in Wirtschaft und Gesellschaft. [Text-Quelle: www.bpb.de - Schriftenreihe (Bd. 1517)] | |||||||||||||||||||||||
Die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur hat im Januar 2017 das Portal "Zeitzeugen" eröffnet. Das Zeitzeugenportal richtet sich an all diejenigen, die mehr über die Menschen erfahren wollen, die in der Zeit von 1945 bis 1989 auf dem Gebiet des Landes Brandenburg Widerstand leisteten, politische Verfolgung erlitten und Unrecht oder Willkür der SED-Herrschaft erlebten. | |||||||||||||||||||||||
Abkürzungen & Fremdworterklärungen:
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